Die Ärzte in römischer Zeit

Als im zweiten Jahrhundert v. Chr. die Römer die griechischen Staaten bezwangen, kam neben der Kunst, der Wissenschaft und der Literatur die Heilkunst mit allen ihren Facetten in das römische Reich. Neben den in der Heilkunst ausgebildete Ärzten aus Griechenland und Kleinasien kamen auch sich nennende Ärzte in die Hauptstadt Rom, die sich als Pfuscher und Blender erwiesen. Das schnelle, leicht verdiente Geld lockte. Das republikanische Rom war zu dieser Zeit von Pharmazie, eine auf anatomischen Studien beruhende Chirurgie oder sogar Fachliteratur für angehende Mediziner weit entfernt. Man war immer noch dem Glauben an übernatürliche Mächte verhaftet. So riefen äußerst fromme Römer bei Krankheiten die Götter, z.B. Minerva, Hygieia, sowie die Göttinnen Febris und Mefitis an. Bei Krankheitsfällen wurden auch die Verordnungen des pater familias befolgt. Dieser entschied über die zu praktizierende Behandlung. Auch konzentrierten sich viele Bereiche der Heilkunst bei den Römern auf Zaubersprüche. Hausmittel, wie zum Beispiel Wein mit verschiedenen Beimischungen, die dem Patienten zur Anwendung verabreicht wurden, wirkten nicht immer.

Es ist bekannt, dass sich ein griechischer Medicus mit Namen Archagathus um 219 v. Chr. in Rom niederließ. Durch seine mehr oder weniger guten Erfolge bei der Behandlung der Patienten mit Messer und Brenneisen bekam er den Spitznamen Carnifex (Schinder oder Henker). Nachdem das Römische Reich immer mehr Gebiete wie Gallien, Rätien, Noricum und Britannien eroberte und besetzte, war der Bedarf an richtigen Ärzten sehr groß. Aus Griechenland oder Kleinasien stammende und in der aktuellen Medizin ausgebildete Ärzte kamen nun auch in die Randgebiete des Reiches.

Neben den chirurgischen Methoden dürften die weiteren Bereiche der Anwendung von Heilkräutern und Medikamenten nicht vergessen werden. Zur Schmerzbekämpfung wurden viele Kräuter, Pflanzenextrakte und Mineralien zur Heilung der Kranken verwendet. Plinius (23 – 79 n. Chr.) hatte in seiner Naturgeschichte über die Heilwirkung von Pflanzen geschrieben. Der berühmteste Pharmakologe des Altertums war Pedanios Dioskurides, der in der Zeit des Kaisers Nero lebte und eine ausführliche Arzneimittellehre in mehreren Büchern geschrieben hat. Hier wurden Heilkräuter und Heilwurzeln, Pflanzenextrakte. Öle, heilkräftige Erden und Mineralien behandelt. Auch beschrieb er das Aussehen und die Herkunft der Pflanze bzw. gab Hinweise zur Aufbereitung und Anwendung. Die bakterizide Wirkung von Wein und Honig war den Ärzten bekannt. Essig, Alaun und Medikamente wie Eisen und Kupferhammerschlag (Kupfergranulat) dienten zur Blutstillung und Behandlung von Wunden. Eiternde Wunden wurden mit Baldrian, Myrrhe und Weihrauch behandelt. Bei einer Unzahl von Leiden kamen Klistiere zur Anwendung. Nieswurz war ein beliebtes Abführ- und Brechmittel und Mohnsaft und Bilsenkraut dienten der Schmerzlinderung. Viele Medikamente und Pflanzenextrakte bedurften einer Vielzahl von komplizierten Zusammensetzungen. Die Ärzte, die diese herstellten und anwendeten, sind leider nicht bekannt und es wurde nichts schriftliches überliefert. Einige Pflanzengattungen, die für Medikamente verwendet wurden, existieren heute nicht mehr und die Einzelbestandteile der Rezepturen lassen sich nicht mehr eindeutig identifizieren.

Neben den medizinischen Erfolgen, die so mancher Medicus vorweisen konnte, spielte das Honorar eine wichtige Rolle. Der römische Staatsbeamte und Naturforscher Gaius Plinius Secundus (23 – 79 n. Chr.) behandelte in seiner Naturgeschichte (Naturalis Historia) neben den Heilmitteln die medizinischen Schulen und Anschauungen jener Zeit, um sich dann über die Modeärzte und Ärzte am Kaiserhof auszulassen. So soll der Leibarzt des Kaisers Claudius, Gaius Stertinius Xenophon 500.000 Sesterzen Honorar im Jahr bekommen haben. Xenophon wurde um 10 n. Chr. in Kos geboren (+ 54 n. Chr.) und erhielt dort seine medizinische Ausbildung. Er bekam das römische Bürgerrecht und war Leibarzt der Kaiser Tiberius, Caligula und Claudius. Reich und angesehen kehrte er nach dem Tod von Kaiser Claudius, obwohl man ihm nachsagte, er wäre an der Ermordung des Kaisers beteiligt gewesen, nach Kos zurück.

Tanzendes Skelett aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. Ein Miniaturskelett, bekannt bei den Römern als Larva Convivalis (Gesellige Maske). Eine Erinnerung an die Wichtigkeit des menschlichen Lebens, die Notwendigkeit, den kurzen Zeitraum auf Erden zu nutzen und die Vergänglichkeit des Menschen. Insgesamt sind 10 ähnliche Skelette bekannt. Eines aus Silber, eines aus Holz und die übrigen Exemplare aus Bronze. Die unanatomische Darstellung der Knochen, die allen Skeletten gemeinsam ist, offenbart den Mangel an wissenschaftlicher Erkenntnis. Wichtiger war es, dass die knöchernen Gespenster lebhaft waren und die fließenden Tanzbewegungen ihrer beweglichen Gelenke betont wurden. Das vorliegende Skelett aus Bronze ist leider nicht vollständig und befindet sich im Paul Getty-Museum. (C) Foto Klaus Peter Horack

Das Vorurteil des Plinius richtete sich vor allem gegen die Mediziner, die aus dem Erhalt des Lebens monetären Gewinn ziehen würden. Trotzdem profitierten die Römer auf dem Gebiet der Medizinwissenschaften und den damit einhergehenden Erkenntnissen aus Griechenland und Kleinasien. In der Kaiserzeit wurden viele Traktate von Schriftstellern verfasst, die zu einem großen Teil aus dem hellenistischen Osten des Reiches stammten.

Ein wichtiger Autor in der Kaiserzeit war der Römer Aulus Cornelius Celsus (25 v. Chr. – 50 n. Chr.), der zur Zeit des Kaisers Tiberius in einem großen Werk auch die Medizin behandelte. Seine acht Bücher behandelten alle Bereiche ärztlichen Wirkens im Altertum: Anatomie, Diätetik, Pharmakologie, innere Medizin, Dermatologie, Augenheilkunde, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Geburtshilfe und die Chirurgie. Celsus war übrigens der erste antike Medizinschriftsteller, dessen Werk in der Neuzeit im Druck vorlag, nachdem das Werk 1460 entdeckt worden war. Obwohl bis heute nicht eindeutig geklärt ist, ob Celsus Arzt war oder Theoretiker, geht man davon aus, dass er mehr der Praktiker war. Ein weiterer großer Arzt der Kaiserzeit war Soranus von Ephesos, ein Grieche, der unter Kaiser Traian einige Schriften über die Frauenheilkunde und Geburtshilfe hinterließ. Bedeutend ist auch das Werk über Nieren- und Blasenleiden des Rufus von Ephesos (um 100 n. Chr.), einem Arzt und Schriftsteller. Der berühmteste Arzt der römischen Kaiserzeit war Galenos von Pergamon. Ein Grieche, der 129 n. Chr. geboren (+ 216 n. Chr.), in Pergamon, Smyrna und Alexandria seine Ausbildung erhielt. Mit etwa 25 Jahren war er in Pergamon als Gladiatorenarzt tätig. In Rom hatte er einen hervorragend Ruf, so dass er an den kaiserlichen Hof berufen wurde und unter anderem Commodus, den Sohn von Kaiser Marcus Aurelius betreute.

Medizinische Instrumente wie Schere, Zange- und Wundzange, Pinzette, großer Wundhaken, Spatel- und Löffelsonde. (c) Foto Klaus Peter Horack

Ausbildung und Status – Viele Ärzte unterrichteten gegen Honorar eine Anzahl von Schülern. Es gab unterschiedliche Zentren für die Ausbildung. Pergamon und Alexandria waren die bekanntesten Orte in der römischen Kaiserzeit. In dieser Zeit kamen die Spezialisierungen der Ärzte dazu, die Schwerpunkte wie Augenheilkunde, Geburtshilfe. Gynäkologie und die Chirurgie wählten. Bekannt ist ein Wandbild in der Katakombe an der Via Latina in Rom. Hier öffnet der Arzt im Kreise seiner Schüler einen Leichnam. Ein römischer Arzt verdiente seinen Lebensunterhalt durch seine Wissenschaft. Der Großteil von ausländischen Ärzten kam vor allem aus Griechenland. Ihr guter Ruf eilte ihnen voraus und viele konnten ein großes Vermögen verdienen. Erstrebenswert war auch das römische Bürgerrecht. Auf den großen Landgütern mit sehr vielen Personen kam es vor, dass Sklaven zum Arztberuf ausgebildet wurden. Dies beweisen Grabsteine, auf denen Freigelassene sich mit dem Titel Medici bezeichneten. Ebenfalls wurden Grabinschriften gefunden, auf denen Frauen diesen Titel führten. Es darf jedoch angenommen werden, dass sich diese Frauen auf die Geburtshilfe und Gynäkologie konzentrierten. In den Städten gab es Ärzte, die gegen einen festgelegten Lohn angestellt wurden. Dies war ein Anzeichen dafür, dass die größer werdenden Städte und Gemeinden die Notwendigkeit erkannten, dass eine geregelte ärztliche Versorgung für die Bevölkerung wichtig waren. Die Behandlung der Patienten erfolgte nicht gratis. In Inschriften ist immer wieder eine Befreiung der Ärzte von Steuern, Abgaben und Ämtern nachgewiesen. Gelegentlich mussten die Kaiser gegen den Missbrauch solcher Privilegien angehen. Der Gemeindearzt wurde in der späteren Kaiserzeit als Archiatros bezeichnet. Man kannte auch die Archiatri Palatini, Ärzte des Kaiserhauses und die Archiatri Populares, die Ärzte der städtischen Gemeinden. Die Pflichten der Archiatri Populares regelte in der Spätzeit ein Edikt Kaiser Constantin aus dem Jahr 321 n. Chr. Hier wurde ihre Ernennung, mögliche Absetzung bei Unfähigkeit, die Verpflichtung zum Unterricht, die Befreiung von Abgaben und die Besoldung aufgeführt.

Darstellung Instrumentenschrank mit medizinischen Instrumenten aus römischer Zeit zwischen 150 und 210 n.Chr./Tempel Kom Ombo-Oberägypten/Nilkreuzfahrt 2023/ (C) Foto Klaus P. Horack

Die Militärmedizin – Das römische Heer bedurfte einer durchorganisierten ärztlichen Versorgung. Insgesamt sind 19 Legionen der römischen Armee bekannt, bei denen es 42 Hinweise auf Legionsärzte gab. Der römische Militärschriftsteller Vegetius verfasste im vierten Jahrhundert n. Chr. eine Epitoma rei militaris, ein Handbuch des römischen Militärwesens. Hier wird in einem seiner Kapitel eine Gesundheitsvorsorge und ärztliche medizinische Versorgung aufgeführt, um die Einsatzfähigkeit der Soldaten zu bewahren. Bei dem Bau von Standlagern wurde vorrangig auf die Trinkwasserversorgung geachtet. Die sanitären Anlagen, d.h. Latrinen und Bäder gehörten zur standardmäßigen Einrichtung römischer Militärstützpunkte. Selbstverständlich waren Lazarette für Verwundete und Kranke in den Lagern. Nach Vegetius gehörte es zu den Pflichten des praefectus castrorum, des zweithöchsten Befehlshabers einer Legion, das Sanitätswesen der Einheit zu organisieren. Das eigentliche medizinische Personal gliederte sich auf in den optio veletudinarii, dem Leiter des Lazaretts. Ihm untergeben waren die medici, die Ärzte der Legion; hinzu kamen capsarii, Krankenpfleger/Sanitäter (der Name kommt wohl von der capsa, ein rundes Behältnis aus Leder für Verbandszeug und Bandagen). Unter den medici gab es unterschiedliche Ränge. In der Regel gehörten sie dem Centurionenstand an. Man kennt aber auch milites medici, die dem Mannschaftstand zuzurechnen waren. Man geht davon aus , dass zu einer Legion rund 10 Ärzte mit dem dazugehörigen Personal gehörten. In der Regel behandelten die medici einer Legion alle möglichen Verletzungen und Krankheiten. Es ist aber auch von Spezialisten die Rede, so von chirurgi und medici ocularii, Augenärzten. Obwohl in Friedenszeiten die Behandlung von Krankheiten jeglicher Art zu den Aufgaben des Militärarztes zählten, lag der Schwerpunkt seiner Tätigkeit bei Kämpfen im chirurgischen Bereich. Bei der Behandlung von Wunden, bei der Entfernung von Geschossen, notfalls auch Amputationen. Wie die Behandlung der Soldaten im Felde aussah zeigt anschaulich die Traianssäule in Rom. Hier werden Verwundete von capsarii auf einem Verbandsplatz gesammelt, einem Kavalleristen wird der Oberschenkel verbunden und ein Legionssoldat wird von einem Medicus untersucht.

Medizinische Instrumente wie Skalpell, Knochenmeißel, Spatel- und Löffelsonde, Pinzette und Blasensteinhaken. (c) Foto Klaus Peter Horack

Das Lazarett/Krankenhaus im römischen Militärlager – Bei Ausgrabungen in römischen Militärlagern wurden immer Lazarette (valetudinaria) ausgegraben. Architektonisch gesehen hatten alle den gleichen Bautypus. Um einen Innenhof ordneten sich im Rechteck zwei Reihen von Krankenkammern, die ein Mittelkorridor trennte. Es konnten mehrere Kammern nebeneinander liegen, die man vom Hauptkorridor betrat. Der windgeschützte Innenhof diente wahrscheinlich als Platz, auf dem sich die Rekonvaleszenten ausruhen konnten. Die Bauweise schwankte je nach Zeitstellung und Funktion. Zeigten frühere Lazarette eine einfache Holzkonstruktion, so waren bei dauerhaft belegten Anlagen wie in Castra Vetera II/Xanten die Lazarette bereits gemauert. In Xanten ist noch ein Bad neben Abort gesichert, daneben ein Raum, der vermutlich eine Küche enthielt.

Auch Lager kleinerer Auxiliareinheiten besaßen Krankenhäuser. Bestes Beispiel ist das Valetudinarium des Kastells Künzing/Quintana. Es war ein rechteckiges Holzgebäude von 32,5 m Länge und 14 m Breite aus dem 1. und frühen 2. Jahrhundert n. Chr. Alle Lazarette/Krankenhäuser lagen in der Nähe der Prinzipia, der Stabsgebäude. Hier in einem eher ruhigen Teil des Lagers fanden die Kranken die nötige Ruhe und Abgeschiedenheit. Zum Schluss ist noch anzumerken, dass, obwohl der Typus eines Militärlazaretts gut bekannt ist, in einer römischen Stadt ein Krankenhaus bis jetzt nicht identifiziert werden konnte.

Modell eines Lazaretts in Castra Vetera II/Xanten. (C) Foto Klaus Peter Horack

Grabbeigaben, Funde und Grabinschriften – Eine wichtige Fundquelle sind die Gräber römischer Ärzte, die ärztliche Gerätschaften beinhalteten. Insgesamt sind zum jetzigen Zeitpunkt etwa 100 Bestattungen bekannt. Anhand von Grabbeigaben von Münzen erstreckten sie sich im wesentlichen über den Zeitraum vom 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. Als Glücksfälle für die Archäologen konnte man die 79 n. Chr. vom Vesuv zerstörten Städte Herculaneum und Pompeji sehen. Hier wurden bei einem Skelett in der Nähe der großen Palästra medizinische Instrumente gefunden.

Meistens wurden als Grabbeigaben Skalpelle, Heber, Haken, Zangen, Sonden (häufig unterschiedlicher Art), Schröpfköpfe, gelegentlich Feilen, Sägen und Meißel gefunden. Dazu kamen bronzene Kästchen für Medikamente, Salbreibsteine und Sonden, sowie Bronzehülsen zur Aufnahme der Instrumente, die auch teilweise in Lederrollen gewickelt waren. Auch Grabsteine römischer Ärzte mit bildlichen Darstellungen auf die berufliche Spezialisierung sind zu erwähnen. Vielfältiges Material lieferten auch die Inschriften auf Grabsteinen und Altären im römischen Reich. Auffällig ist die Anzahl griechischer Namen. Auf den Grabinschriften kommt die Ärzteschaft Roms weitestgehend aus dem griechischen Raum, vorzugsweise Kleinasien wie Pergamon, Ephesos oder Tralles. Römische Bürger, Freigelassene und Sklaven sind gleichermaßen vertreten. Vor allem der Medicus ocularis, der Augenarzt, tritt häufig auf. Gelegentlich übte der Ehemann den Beruf des Arztes aus und die Ehefrau das Gewerbe der Hebamme. Dies wird auf einem Grabstein aus Ostia erwähnt.

Nur selten zeigen leider antike Reliefs den Arzt bei der Arbeit. Gelegentlich beleuchteten die Inschriften auch die weniger erfolgreiche Tätigkeit römischer Ärzte. In Rom hat sich ein Grabstein eines Freigelassenen erhalten mit dem Text, quem medici secarunt et occiderunt – „… den Ärzte operiert und getötet haben…“

Literaturhinweis: Der Arzt und sein Instrumentarium in der römischen Legion. Siehe unter Literaturempfehlung

Ein Teil der Repliken von medizinischen Geräten Holger Ratsdorf. Siehe www.hr-replikate.de